Mit den Begriffen chronisch und akut werden zeitliche Aspekte von Krankheitsabläufen festgelegt. Sie sind für gutachterliche Äußerungen, Rentenanträge etc. geeignet. Zur Ableitung praktischer Behandlungsvorgehen sind diese Begriffe jedoch gänzlich unbrauchbar.
Mit "Akut" werden plötzlich auftretende Erkrankungen mit kurzer Dauer von 3 Tagen bis zu 4 Wochen bezeichnet. „Akut“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet “scharf, spitz“. Das Gegenteil davon ist „chronisch“ und das aus dem Griechischem stammende Wort enthält die Vokabel „chronos“, die Zeit. Als chronisch werden Krankheitszustände bezeichnet, die seit längerer Zeit bestehen. Die in diesem Zusammenhang genannten Zeiträume sind unterschiedlich. Es werden Zeiten zwischen 6 Wochen bis zu 6 Monate angegeben.
Diesen statischen Angaben stehen funktionelle Beschreibungen gegenüber. In vivo wird "akut" als Zustand beschrieben, der durch Hitze, Schwellung, Rötung und Schmerz gekennzeichnet ist. "Chronisch" wird daher von Praktikern als Gegenteil von "akut" empfunden. Akutes Geschehen bedarf nach dieser Auffassung der Kühlung und Beruhigung, während von chronischen Zuständen erwartet wird, dass sie sich unter Wärmezufuhr oder weiteren anregenden Maßnahmen bessern. Hier handelt es sich um die Sicht von Praktikern, die sich um die papierne Theorie nicht kümmern.
Prekär wird das Ganze dadurch, wenn die beiden Modelle miteinander vermischt werden.
Beispiel: Anruf eines Arztes, mit der Bitte um einen Behandlungstermin für seine Frau, die nach seinen Angaben unter starken Rückenbeschwerden litt. Die bisherige Behandlung bestand u.a. aus wärmenden Anwendungen. "Morgen um 9 Uhr" war meine Antwort. Für heute Abend, so meine Empfehlung am Telefon, versuchen Sie es einfach mal mit Eis. Antwort: "Sie hat die Schmerzen schon seit Jahren, deshalb handelt es sich um einen chronischen Zustand, bei dem Eis kontraindiziert ist!" Tatsächlich wurde durch die ständigen Wärmeanwendungen biologisch während dieser langen Zeit der akute Zustand aufrecht erhalten, mit der Folge von teuren Fehlbehandlungen ohne Ende.
Lehrbuch für Sportphysiotherapie: "Nach traumatischen Einflüssen, wie Distorsionen etc. soll während der ersten 3 Tage gekühlt und danach mit Wärme behandelt werden." Auch bei dieser Forderung handelt es sich um eine Vermischung der theoretischen Definition mit den physiologischen Tatsachen. Man ist felsenfest davon überzeugt, dass der akute Zustand genau 3 Tage besteht und berücksichtigt individuell bedingte Abweichungen von dieser angeblichen Norm nicht. Da mit Behandlungen der Organismus in seinen Selbstheilungsbestrebungen unterstützt und nicht behindert werden soll, müssen sich die dem tatsächlichen (funktionellen) Zustand nicht angepassten Maßnahmen heilungsbehindernd auswirken. Es werden deshalb mehr therapeutische Sitzungen notwendig und eine Arbeitsunfähigkeit dauert länger an.
Noch schlimmer wirkt sich dieses Missverständnis bei Erkrankungen des sog. rheumatischen Formenkreises und bei orthopädischen Krankheitsbildern aus, denn davon sind einige Millionen Patienten betroffen. Egal wie sich die Beschwerden äußern, von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, wird überwiegend die Empfehlung ausgesprochen, die betroffenen Gebiete grundsätzlich zu wärmen. Paradoxerweise werden zusätzlich Entzündungshemmer verordnet. Dadurch werden akute Zustände über lange Zeit erhalten und dem Körper jede Chance zur Selbstregulation genommen. Eine Vorgehensweise, die jährlich viele Milliarden Euro Kosten verursacht.
Klaus Radloff
www.klaus-radloff.com
fragwürdiger Beitrag mit unbegründeten Thesen
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