Montag, 11. Oktober 2010

Fehldiagnose Lumbalgie

Auf der Fahrt zur Arbeit geschah es: Plötzlich knirschte es fürchterlich … im Rücken. Ein „Hexenschuss“ zwang zum Besuch des nächsten Orthopäden. Kaum gehfähig vor Schmerz bekam der Patient dort zu hören, dass der nächste freie Termin in zwei Monaten sei. Mit Bitten, ja auch Drohungen erzwang er sich dann doch eine Audienz beim Doktor. Dessen Behandlung bestand aus acht annähernd wortlos durchgeführten Injektionen, einem Rezept für die Apotheke und einer Krankschreibung. Eine Untersuchung fand nicht statt.

Arztwechsel – gleiche Behandlung  Da sich der Zustand trotz Unmengen von Medikamenten, schmerzhafter Physiotherapie nicht besserte, sondern eher verschlimmerte, kam es zum Arztwechsel. Jetzt wurden die Haltung, die Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule vom Doktor beurteilt, schriftlich festgehalten und dann ... die gleichen Medikamente wie zuvor eingesetzt. Eine nun erstmals durchgeführte Computertomografie zeigte geringfügige Veränderungen der Lendenwirbelsäule, die jedoch keinerlei spezifische Behandlungen erforderten.

Ab zur Rehabilitation
Nach Monaten der Arbeitsunfähigkeit kam ein Vertrauensarzt auf die Idee, diesen Menschen zu einer Reha-Kur zu schicken. 6 Wochen lang einmal pro Woche Physiotherapie mit Massage, dreimal Moorpackungen und täglich Gruppenturnen. An den Medikamenten änderte sich kaum etwas. Dabei geschah was kaum für möglich gehalten wurde, die ohnehin schon fast unerträglichen Schmerzen steigerten sich noch und der Patient landete als Notfall im Krankenhaus, auf der chirurgischen Station.

Wirbelsäulenoperation ohne Befund
 Obwohl die Befunde für eine Operation keine hinreichenden Indikationen boten, wurde eine operative Versteifung der Lendenwirbelsäule in Erwägung gezogen. Das frei nach dem Motto, was sich nicht bewegen kann, kann nicht weh tun. Eine Lösung, zu der sich der etwa 40 jährige Patient nicht entschließen konnte und sich deshalb selbst aus der stationären Behandlung entließ.

Wochen später, die Lösung
 In den Wochen danach kam es zu keinerlei Veränderung des Zustands. Eines Tages bemerkte der Patient eine rötliche Verfärbung seines Urins, die er zunächst für eine Nebenwirkung der Medikamente hielt. Die Untersuchung des Urins zeigte große Blutbeimengungen und eine Ultraschalluntersuchung viele mittelgroße und kleinere Nierensteine. Die Therapie bestand in deren Zertrümmerung und unmittelbar im Anschluss daran trat völlige Beschwerdefreiheit ein. Somit kann als gesichert angenommen werden, dass die massiven Rückenbeschwerden Folge dieser Nierensteine waren und dass er Monate in einer permanenten Nierenkolik verbrachte. Bleibt nur die Frage, warum diese sehr einfach abzuklärende Möglichkeit nicht bereits Monate zuvor erfolgten.

Kein Einzelfall
 Mit solchen Krankengeschichten könnte ich viele Seiten füllen. Meiner Schätzung nach sind knapp die Hälfte der Erkrankungen des unteren Rückens, der Hüft-und der Kniegelenke auf Affektionen der Nieren, der ableitenden Harnwege und der Blase zurückzuführen. Dazu kommen zusätzlich die Auswirkungen von Beeinträchtigungen der Unterleibsorgane, die sich besonders im Bereich des Kreuzbeins z.B. als Entzündung der Beckengelenke, sowie der Kniegelenke auswirken können. Die hier angeführte Krankengeschichte ist nicht einmalig und keinesfalls auf einzelne Nationen begrenzt, und das „Nicht-sehen-wollen“ der Hintergründe ist ein globales orthopädisches Problem, das ich tagtäglich in der Praxis bei meinen, aus der ganzen Welt stammenden Klienten antreffe.

Die Chance der Orthopädie
 Im Augenblick bestehen orthopädische Behandlungen aus ständigen medikamentösen Schmerzabschaltungen, der Reduzierung entzündlicher Prozesse und der bildlichen Dokumentierung zunehmenden und meist unaufhaltsamen Verfalls. Das Ganze „gipfelt“ in Bandscheibenoperationen und der Setzung von Gelenkimplantaten. Bei Beachtung und Behandlung der Auslöser – wie beispielsweise der hier erwähnten Nierenleiden – ließen sich mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit nicht nur schier endlose Leiden, sondern auch dann unsinnige Folgeoperationen vermeiden. Darüber hinaus ließen sich die Kosten für orthopädische Behandlungen – Deutsche Krankenkassen müssen dafür jährlich weit mehr als 40 Milliarden Euro aufwenden – drastisch reduzieren.



Klaus Radloff
www.klaus-radloff.com

1 Kommentar:

  1. Hallo,
    habe ähnliche Odysee hinter mir. Zum Schluss war es der Nierenstein.
    Grüße Andy

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